Stefan Mickisch

Stefan Mickisch

* 05.07.1962
† 17.02.2021 in Schwandorf
Erstellt von
Angelegt am 23.02.2021
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Kerzen (160)

Hier finden Sie alle Gedenkkerzen, die für Stefan Mickisch entzündet wurden. Wir laden Sie herzlich ein, selbst eine Kerze mit einer kurzen, persönlichen Nachricht zu hinterlassen.

Gedenkkerze

Inge Soder

Entzündet am 19.04.2024 um 13:06 Uhr

Busoni, Ferruccio: Offener Brief über die Parsifal-Partitur an die Vossische Zeitung , Januar 1913

Über die "Parsifal" Partitur
Berlin, Januar 1913

Ich werde in Ihren  Augen für einen wenig weitschauenden Mann gelten, wenn ich Ihnen versichere, wie das Bewußtsein, daß die meisterhaftschöne "Parsifal"- Partitur in meinem Schranke aufgehoben ist, daß keine Gesetze, für, noch wider, an ihren horizontalen und vertikalen Linien, etwas ändern können: wie das Bewußtsein dieser ruhigen Tatsachen mich für die äußeren Schicksale des Werkes fast gleichgültig macht. So rein, wie die Zeichen auf dem Papier stehen, kann keine Bayreuther Bühnenaufführung jemals ausfallen; unvollkommene Darstellungen hingegen können dem Werke nichts von seiner Vollkommenheit nehmen; der Schatz ist, durch das Vorhandensein der Partitur selbst, vor jedem Angriff geschützt.
Die geschäftlichen Rechte an den eigenen Werken über den Tod hinaus, dreißig Jahre weiter, und nun gar auf eine noch fernere Zukunft hin, sind mir unverständlich. Man gebe dem l e b e n d e n genialen Manne Geld, damit er schaffen könne; aber nicht Zinsen seinen Erben.
"Ewig gültige Bestimmungen" sind -- wie Sie wissen -- unhaltbar, so blieben bald -- von einem Werke -- nur die Bestimmungen, die man ihm mitgab, übrig. Denn man ändert fortwährend an den Werken der Vergangenheit, um sie zu erhalten. An Werken der bildenden Kunst ändert man, aus demselben Instinkte heraus, die Art des Schauens.
Ich glaube nicht, das Gesetze das Schicksal eines Kunstwerkes bestimmen oder aufhalten können. Ich glaube auch nicht, daß dem "Parsifal" ein solches Schutzgesetz -- eine rechtliche Heiligsprechung -- eher zukomme als dem "Faust" Goethes oder der Neunten Symphonie. Ich glaube an die Partitur des "Parsifal" und auf mehr denn dreißig Jahre nach dem Tode ihres Meisters hinaus -- wenn auch nicht auf " ewig".

Handschrift - Standort:     Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz, Berlin
Auszug aus dem Buch von Ferruccio Busoni - Von der Einheit der Musik -  Verstreute Aufzeichnungen
An Jakob Wassermann

dem Meister
- bescheiden diese Versuche
dem Freunde
- vertrauensvoll diese Bekennnisse
widmet
Ferruccio Busoni
im Jahre 1922
Handbuch 76, Max Hesses Verlag, Berlin W15, Seite 187- 188


Gedenkkerze

Inge Soder

Entzündet am 15.04.2024 um 10:12 Uhr

Absolute Musik!  Was die Gesetzgeber darunter meinen, ist vielleicht das Entfernteste vom Absoluten in der Musik. "Absolute Musik" ist ein Formenspiel ohne dichterisches Programm, wobei die Form die wichtigste Rolle abgibt. Aber gerade die Form steht der absoluten Musik entgegengesetzt, die doch den göttlichen Vorzug erhielt zu schweben und von den Bedingungen der Materie frei zu sein. Auf dem Bilde endet die Darstellung eines Sonnenunterganges mit dem Rahmen; die unbegrenzte Naturerscheinung erhält eine viereckige Abgrenzung; die einmal gewählte Zeichnung der Wolke steht für immer unveränderlich da. Die Musik kann sich erhellen, sich verdunkeln, sich verschieben, und endlich verhauchen wie die Himmelserscheinung selbst, und der Instinkt bestimmt den schaffenden Musiker, diejenigen Töne zu verwenden, die in dem Innern des Menschen auf dieselbe Tasten drücken und denselben Widerhall erwecken, wie die Vorgänge in der Natur.

Ferruccio Dante Michelangelo Benvenuto Busoni * 1. April 1866 in Emboli bei Florenz - + 27.Juli 1924 in Berlin
Auszug aus: Entwurf einer neuen Ästhetik in der Tonkunst
Insel- Bücherei Nr. 202, zweite erweiterte Ausgabe, Seite 9

Gedenkkerze

Inge Soder

Entzündet am 08.04.2024 um 10:15 Uhr

Ferruccio Dante Michelangelo Benvenuto Busoni * 1. April 1866 in Emboli bei Florenz - + 27.Juli 1924 in Berlin
Auszug aus: Entwurf einer neuen Ästhetik in der Tonkunst
Insel- Bücherei Nr. 202, Seite 47


 Und Tolstoi läßt einen landschaftlichen Eindruck zu Musikempfindung werden, wenn er in "Luzern" schreibt:

Weder auf dem See, noch in den Bergen, noch am Himmel gab es eine einzige ununterbrochene Linie,
eine einzige ungemischte Farbe, einen einzigen ruhigen Punkt: überall war Bewegung,
Unsymmetrie, Phantastik, eine unaufhörliche Vermengung und Verschiedenheit der Schatten und Linien,
und zugleich die Ruhe, Milde, Einheit und Notwendigkeit des Schönen
.
Und mitten in dieser unbestimmten, verworrenen und freien Schönheit lag unmittelbar vor meinem Fenster der dumme,
künstliche weiße Kai mit den gestützten Lindenbäumchen und den grünen Bänken;
alle diese armseligen und banalen Werke von Menschenhand waren nicht wie die fernen Villen und Ruinen
in der allgemeinen Harmonie und Schönheit aufgegangen, sondern widersprachen ihr auf die gröblichste Weise.


Lew Nikolajewitsch Tolstoi, * 28.August 1828 + 7. November 1910 (julian.Kalender)
Luzern - Aus den Aufzeichnungen des Fürsten D. Nechljudow
Deutsch von Alexander Eliasberg. Insel-Verlag zu Leipzig

Gedenkkerze

Inge Soder

Entzündet am 03.04.2024 um 11:50 Uhr

Frei ist die Tonkunst geboren und frei zu werden ihre Bestimmung.
Sie wird der vollständigste aller Naturwiderscheine werden durch die Ungebundenheit ihrer Unmaterialität.
Selbst das dichterische Wort steht ihr an Unkörperlichkeit nach; sie kann sich zusammenballen und kann auseinanderfließen,
die regloseste Ruhe und das lebhafteste Stürmen sein; si ehat die höchsten Höhen,
die Menschen wahrnehmbar sind -- welche anderer Kunst hat das ? --,
und ihre Empfindung trifft die menschliche Brust mit jener Intensität, die vom "Begriffe" unabhängig ist.
Sie gibt ein Temperament wieder, ohne es zu beschreiben, mit der Beweglichkeit der Seele,
mit der Lebendigkeit der aufeinanderfolgenden Momente; dort wo der Maler oder der Bildhauer nur eine Seite oder einen Augenblick,
eine "Situation" darstellen kann und der Dichter ein Temperament und dessen Regungen mühsam durch angereihte Worte mitteilt.
Darum sind Darstellung und Beschreibung nicht das Wesen der Tonkunst;
somit sprechen wie die Ablehnung der Programmmusik aus und gelangen zu der Frage nach den Zielen der Tonkunst.

Ferruccio Dante Michelangelo Benvenuto Busoni
Pianist, Komponist, Musikpädagoge, Dirigent, Essayist
* 1. April 1866 in Emboli bei Florenz - + 27.Juli 1924 in Berlin
Auszug aus: Entwurf einer neuen Ästhetik in der Tonkunst
Insel- Bücherei Nr. 202, Seite 8

 

Gedenkkerze

Inge Soder

Entzündet am 31.03.2024 um 10:41 Uhr

Osterpredigt in Reimen

Verehrter Mitmensch, höre und vernimm
Freundwillig mit Hulden und ohne Grimm:
Dieweil es nun Ostern geworden ist,
Sollst du, von welcher Art du auch bist,
Ob Heide, Jude, Moslem, Christ,
Durchaus vergnügt im Herzen sein,
Osterwürdig und osterrein.

Mit einem Birkenreise kehre
Aus deiner Seele den Geist der Schwere!
Der Wenns und Abers und Achs und Os,
Die hart und starr dein Herz umwindet,
Dass der Geist der Leichte kaum Eingang findet,
Mache dich hurtig und heiter los!

Du brauchst nichts weiter dazuzutun,
Als dich im Grünen auszuruhn.
Da atmet sichs sehr wonnig ein,
Was dir das Herz macht frei und rein:
Der jungen Blumen frischer Hauch;
Und die Augen haben der Wonne auch,
Denn nichts ist lieblicher anzusehn,
Als wie sie da hold beisammenstehn,
Blau, weiß und rosa, klar und licht,
Der Erde süßestes Ostergedicht.

An ihnen dir ein Beispiel zu nehmen,
Sollst du, ach Mensch, dich keineswegs schämen!

Vergiss dein Gehirn eine Weile und sei
Gedankenlos dem lieben Leben
Blumeninnig hingegeben;
Vergiss dein Begehren, vergiss dein Streben
Und sei in seliger Einfalt frei
Des Zwangs, der dich durchs Hirn regiert!

Er hat dich freilich hoch geführt
Und vieles dir zu wissen gegeben,
Aber das allertiefste Leben
Wird nicht gewusst, wird nur gespürt.
Der Blumen zarte Wurzeln fühlen
Im keimlebendigen, frühlingskühlen
Erdboden mehr von ihm als du.
Und bist doch auch ein Kind der Erde.
Dass sie nicht sinnenfremd dir werde,
Wende ihr heut die Sinne zu!

Das ist der festlich tiefe Sinn
Der Ostertage: Mit Entzücken
Sollst du zum Mutterschoß dich bücken.
Gib heut, o Mensch, dich innerst zu beglücken,
Der Mutter Erde frühlingsfromm dich hin!

Otto Julius Bierbaum*28.6.1865 in Grünberg/Niederschlesien; + am 1.2.1910 in Kötzschenbroda bei Dresden.
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